Die Mobilitätsbranche steht vor einem Paradigmenwechsel: Immer individueller, nachhaltiger, aber gleichzeitig effizient und wirtschaftlich soll sie sein. Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Fahrzeugbau sehen sich vor großen Herausforderungen, wenn es darum geht, wettbewerbsfähig zu bleiben. Zudem fühlen sie sich von den grossen OEMs oftmals ausgenutzt und von oben herab behandelt. Mit EcoVity entsteht eine digitale Wertschöpfungsplattform, die nicht auf technologische Insellösungen setzt, sondern auf ein ganzheitliches Geschäftsmodell, das Kooperation, Modularität und strukturierte Prozesse in den Mittelpunkt stellt.

Zusammenarbeit neu gedacht: Das Prinzip von Bundling und Unbundling

Im Zentrum von EcoVity steht ein hybrides Geschäftsmodell, das zwei etablierte Managementansätze miteinander verbindet. Zum einen setzt es auf Bundling, also die Bündelung von Ressourcen, Dienstleistungen und Infrastrukturen zur gemeinsamen Nutzung. Zum anderen verfolgt es das Prinzip des Unbundling, bei dem komplexe Wertschöpfungsketten gezielt in eigenständige, flexibel kombinierbare Module zerlegt werden.

Was zunächst wie ein theoretisches Konzept klingt, bietet in der Praxis handfeste Vorteile. Durch Bundling können KMU gemeinsam Materialien einkaufen, Fertigungseinrichtungen nutzen oder digitale Tools teilen. Dies hat sowohl Skaleneffekte als auch niedrigere Eintrittshürden zur Folge.  Gleichzeitig schafft Unbundling die nötige Flexibilität. Jedes Unternehmen bringt sich dort ein, wo es den größten Mehrwert bietet – sei es in der Entwicklung, als Anbieter von Produktionskapazitäten oder als Komponentenlieferant. So entstehen agile Wertschöpfungsnetzwerke, in denen auch kleinere Betriebe ihre Rolle selbstbewusst und profitabel definieren können.

Schematische Darstellung des Unbundling Geschäftsmodells

Bundling und Unbundling im EcoVity-Leistungsportfolio

Für Nutzer von EcoVity zeigt sich die Wirkung des hybriden Modells besonders deutlich in der Gestaltung der angebotenen Leistungen. Bundling bedeutet hier, dass verschiedene Produkte und Dienstleistungen zu einem abgestimmten Gesamtpaket kombiniert werden. Durch diese Bündelung profitieren Unternehmen von einem nahtlosen Zugang zu aufeinander abgestimmten Leistungen, die sich entlang des gesamten Produktentstehungsprozesses nutzen lassen.

Unbundling hingegen bietet die Möglichkeit, gezielt einzelne Elemente aus dem Gesamtportfolio herauszugreifen und separat zu nutzen. Wer beispielsweise nur ein digitales Planungstool benötigt oder punktuell Produktionskapazitäten auslagern möchte, kann genau diese Leistung in Anspruch nehmen, unabhängig vom Rest des Portfolios. Besonders attraktiv ist dieser modulare Ansatz für Unternehmen mit spezifischem Bedarf oder eingeschränkten Ressourcen. Sie können flexibel und kosteneffizient auf einzelne Bausteine (Softwaremodule) zugreifen, ohne in umfassende Komplettlösungen investieren zu müssen.

Schematische Darstellung der Zusammenarbeit von Systemintegratoren und KMU (ihre Leistungen)

Industrielle Datenräume als Grundlage digitaler Wertschöpfung

EcoVity überträgt die Prinzipien von Bundling und Unbundling in eine digitale Plattformlösung. Unternehmen können hier nicht nur Projekte initiieren, sondern auch auf ein umfassendes Set an Funktionen entlang der Fahrzeugentstehungsprozesses zugreifen, wie z. B. Fahrzeugkonfiguration, Lieferanten- und Kundensuche, Projektmanagement sowie Homologation von Baugruppen und Fahrzeugtypen. EcoVity deckt nicht nur technische, sondern auch wirtschaftliche Prozesse ab, von der Finanzierung über das Projektcontrolling bis hin zur Abrechnung. So wird EcoVity zur durchgängigen Lösung für ganzheitliche Fahrzeugprojekte.

Ein zentrales Element dabei ist die Integration der EcoVity-Plattform in das Catena-X Datenraum-Ökosystem. Dadurch wird ein sicherer, standardisierter und vertrauenswürdiger Datenaustausch zwischen allen Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette ermöglicht. KMU profitieren von einer offenen, sicheren Infrastruktur, die Kooperationen mit anderen Unternehmen und X-Initiativen unterstützt – ein entscheidender Faktor für die Effizienz und digitale Skalierbarkeit industrieller Wertschöpfungsnetzwerke.

Fazit: Plattformökonomie statt Einzelkämpfertum

Gerade kleinere Unternehmen profitieren von diesem Ansatz besonders. Sie müssen nicht länger in teure Maschinenparks investieren oder komplexe Lieferketten allein managen. Stattdessen können sie sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und gleichzeitig neue Geschäftsfelder erschließen, wie z. B. als Anbieter von Spezialkomponenten oder Nischenfahrzeugen für urbane Mobilität, Landwirtschaft oder Handwerk.

EcoVity steht damit exemplarisch für die Zukunft des mittelständischen Fahrzeugbaus: digital, kooperativ, modular. Durch die intelligente Kombination von Bundling und Unbundling entsteht ein flexibles Ökosystem, das individuelle Mobilitätslösungen wirtschaftlich realisierbar macht, und KMU eine zentrale Rolle in der automobilen Wertschöpfung sichert.

Die Botschaft ist klar: Kooperation ist kein Risiko – sondern der Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit.

Autor: Vladimir Jelschow, Fraunhofer-IPA